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PTHS

Pitt-Hopkins-Syndrom

Das Pitt Hopkins Syndrom (PTHS) ist eine seltene, genetische Erkrankung. Die Hauptmerkmale sind geistige Behinderung, eine schlechte bis fehlende Entwicklung der Lautsprache, Störungen in der motorischen Entwicklung und charakterliche Gesichtsauffälligkeiten. Ferner können Epilepsie oder andere Merkmale auftreten.

Das Krankheitsbild des Pitt Hopkins Syndroms wurde erstmals im Jahr 1978 von den Medizinern Pitt und Hopkins beschrieben. Erst 2007 wurde das verantwortliche Gen entdeckt, das zu dieser Erkrankung führt. Zwei Gruppen haben gleichzeitig Mutationen im TCF4-Gen bei Pitt-Hopkins-Patienten beschrieben: die Gruppe von Anita Rauch in Erlangen und die Gruppe von Jeanne Amiel in Paris.

Seit diesem Erfolg kann das Pitt Hopkins Syndrom nun sicher diagnostiziert werden.

Da die Diagnosestellung noch nicht so lange möglich ist, ist das Syndrom ziemlich sicher unterdiagnostiziert. Weltweit gibt es ca 1000 bestätigte Fälle. In der Schweiz sind im Moment lediglich 10 Personen mit dem PTHS diagnostiziert. In Deutschland dürften es um die 100 Personen sein.

Geschätzt wird, dass das PTHS etwa 1 x pro 34'000 – 41’000 Geburten auftritt.

Das Pitt Hopkins Syndrom ist bei jeder betroffenen Person anders ausgeprägt. Daher ist es schwierig vorauszusagen, wie die Entwicklung verlaufen wird. Es darf aber gesagt werden, dass die Krankheit keinen progredienten (fortschreitenden) Verlauf nimmt.

KURZINFO
  • 18. Chromosom
  • TCF4 Gen
  • 1000 Fälle weltweit
  • Ausprägung verschieden
  • nicht progredient

Symptome

Das Pitt Hopkins Syndrom zeigt eine breite Variabilität der Symptomatik.

Es treten also nie alle Symptome bei einem Kind oder einer erwachsenen Person gleich stark ausgeprägt auf.

In den meisten Fällen werden die Merkmale erst nach und nach deutlicher, weshalb bei vielen Kindern mit dem PTHS bei der Geburt und in den ersten Lebensmonaten keine spezifischen Symptome auf dieses Syndrom hin deuten. Den Eltern fällt mit der Zeit auf, dass sich das Kind langsamer entwickelt als normal wäre, weil es z.B. sich nicht selber zu drehen beginnt, wenig nach Spielsachen greift oder dass es schielt.

In der Elterngruppe finden sich viele weitere Gemeinsamkeiten der Kinder mit Pitt Hopkins Syndrom. So zeigen fast alle einen ausgeprägten, fröhlichen Charakter. Viele lieben Wasser und Musik, klatschen viel oder schlagen die Hände auf den Tisch. Bei starken Gefühlen wie Freude oder Angst, beissen sie sich in die Hände. Spielzeuge die Krach machen, sind beliebt und oft werden Gegenstände weit weg geworfen.

Lassen Sie sich von dieser langen Liste der möglichen Symptome nicht irritieren! Diese Merkmale können bei einer Person mit dem Pitt Hopkins Syndrom auftreten, müssen aber nicht. Es ist eine Aufzählung von Symptomen, die bis jetzt in der Literatur beschrieben worden sind.

SYMPTOME
  • Mittlere bis schwere geistige Retardierung
  • Postnatale Mikrozephalie (kl. Kopfumfang)
  • Schlechte bis fehlende Sprachentwicklung
  • Wahrnehmungs- und Bewegungsstörungen
  • Beschränktes Gehen
  • Ataxie
  • Stereotypische Verhaltensweisen
  • Schwere chronische Obstipation (Verstopfung)
  • Epilepsie
  • Strabismus, Sehbehinderungen
  • Variable MRI Auffälligkeiten
  • Skoliose
  • Genitalanomalien
  • Steife Finger
  • Hyperaktivität
  • Autismus


DYSMORPHIEZEICHEN  (Gesichtsmerkmale)
  • Breite, nach unten gebogene Nase
  • Prominente Nasenwurzel
  • Grosser Mund, breiter Gaumen
  • Herzförmige Lippen
  • Lippenrot
  • Prognathie (hervorstehende Zähne)
  • Prominentes Philtrum (Rinne zwischen Nase und Lippen)
  • Schmale Hände mit breiten Fingerspitzen

Therapien

Gendefekte sind grundsätzlich nicht heilbar.

Es gibt viele verschiedene geeignete Therapiemethoden, die jeweils mit dem zuständigen Arzt/Neurologen abzusprechen sind. Weil die Ausprägung des PTHS verschieden ist, wird symptomorientiert therapiert. Wichtig ist ein früher Therapiebeginn. Menschen mit dem Pitt Hopkins Syndrom brauchen viele konstante Wiederholungen, bis sich ein Ablauf oder eine Bewegung automatisiert.

Da bei PTHS Kindern und Erwachsenen sehr häufig die Lautsprache nicht oder nur gering ausgeprägt ist, empfiehlt es sich, mit ihnen eine Gebärden unterstützende Kommunikation zu erlernen. Hier gibt es zwei bekannte Bildsprachen, die Metacom  oder die Boardmaker Symbole.

In der Schweiz werden die Portagebärden verwendet.

Einige Personen brauchen eine medikamentöse Behandlung gegen Symptome wie z.B. Epilepsie, Obstipation (Verstopfung), Verhaltensprobleme oder Schlafprobleme.

THERAPIEFORMEN
  • Physiotherapie
  • Ergotherapie
  • Logopädie
  • Hippotherapie (Reittherapie)
  •  Musiktherapie
  • Okklusionstherapie (Pflaster betr. Schielen) 

Kommunikation

Personen mit dem Pitt Hopkins Syndrom können in der Regel nicht richtig sprechen. Es gibt jedoch viele unterschiedliche Hilfsstrukturen, um die Kommunikation zu erleichtern. 

UK = Unterstützende Kommunikation:

  • Bildkarten
  • Piktogramme (Symbolsprache Metacom oder Boardmaker)
  • Step by Step (roter Knopf im Bild)
  • Go Talker (diverse Anzahl Felder möglich)
  • iPad als Talker
  • Gebärdenunterstützende Kommunikation

FAQ

Folgende Fragen wurden freundlicherweise beantwortet von Frau Dr. C. Rieubland, Oberärztin Humangenetik, Inselspital Bern (CH). 

IST DAS PTHS HEILBAR?

Das PTHS wird durch einen Gendefekt (Mutationen im TCF4-Gen) verursacht. Der Gendefekt entsteht in der Mehrheit der Fälle zufällig bei der Kozeption und ist in allen Körperzellen des Kindes vorhanden. Leider kann man aktuell diesen Gendefekt nicht "reparieren", es gibt noch keine Gentherapie für das PTHS. (Nachtrag 09/2023: Aktuell ist ein Gen-Medikament  der Firma NEUREN in der Testphase, mehr dazu auf pitthopkins.org). Daher ist das Syndrom in diesem Sinne momentan nicht heilbar. Es gibt jedoch sehr viele Früherkennungs- und Behandlungsmassnahmen, die für diese Kinder sehr wichtig sind und die Lebensqualität stark verbessern können.

SIND PTHS KINDER GEISTIG BEHINDERT?

Ja, Kinder mit dem PTHS sind in der Regel geistig behindert. Der Schweregrad kann jedoch variieren und ist nicht vorhersehbar. Eine Früherziehung und Förderung ist bei diesen Kindern sehr wichtig.

WIRD MEIN KIND EINMAL SPRECHEN KÖNNEN?

Die Mehrheit der PTHS Patienten lernt nie richtig sprechen. Falls adäquate Massnahmen in die Wege geleitet werden, können diese Kinder aber mit ihren Eltern gut über z.B. Gebärdensprache, Bildsymbole, Talker usw. kommunizieren.

WIE VIELE PTHS FÄLLE GIBT ES?

Die Prävalenz des PTHS ist aktuell noch unbekannt. In der medizinischen Literatur sind bis jetzt weltweit ca. 2000 Patienten beschrieben. Das Syndrom ist jedoch sicher unterdiagnostiziert, weil es vielen Ärzten noch zu wenig bekannt ist und das verantwortliche Gen erst im Jahr 2007 entdeckt wurde.

IST DIE LEBENSERWARTUNG VERKÜRZT?

Aktuell gibt es zuwenig medizinische Daten über die Lebenserwartung bei PTHS Patienten. In der Regel ist die Lebenserwartung von assoziierten Fehlbildungen oder Gesundheitsproblemen abhängig. Personen mit PTHS ohne Fehlbildungen oder Gesundheitsproblemen mit Spätfolgen, können ein normales Lebensalter erreichen.

GIBT ES BESONDERE KOMPLIKATIONEN ZU ERWARTEN?

Kinder mit PTHS zeigen einen psychomotorischen Entwicklungsrückstand, Verhaltensauffälligkeiten, Hyperventilationsepisoden, aber auch zum Teil eine Wachstumsretardierung, eine Epilepsie, Rückenprobleme (Skoliose), Augenauffälligkeiten (Myopie und Strabismus), eine gastrointestinale Symptomatik (Obstipation, selten Hirschsprungkrankheit) und andere seltene variable Fehlbildungen. Der behandelnde Kinderarzt sollte über diese möglichen Komplikationen informiert werden. Er evaluiert das Kind regelmässig, damit etwaige Probleme so früh als möglich erkannt und behandelt werden können. An dieser Stelle ist noch zu bemerken, dass die obgenannten Komplikationen zu erwarten sind, aber keineswegs bei jedem PTHS Patienten ausgeprägt sein müssen.

HABEN PTHS KINDER BESONDERE ÄUSSERLICHE MERKMALE?

Kinder mit PTHS zeigen äusserliche Merkmale sowie tiefliegende Augen, eine eher schnabelförmig gebogene Nase, einen grossen Mund und lange Finger. Oft ist ein oder mehrere Finger/Daumen steif. Diese Merkmale sind oft jedoch nur von Spezialisten der medizinischen Genetik erkennbar, welche häufiger mit diesem Syndrom in Kontakt kommen.

WIRD MEIN KIND SPÄTER SELBSTÄNDIG LEBEN KÖNNEN?

Niemand kann die Zukunft voraussagen. Im Prinzip brauchen alle Patienten mit dem PTHS lebenslang eine Unterstützung. Es gibt in der Medizin jedoch täglich Fortschritte, die die Lebensqualität der Patienten verbessern könnten. Auch für PTHS Patienten gibt es Hoffnung diesbezüglich.

WELCHE THERAPIEN SIND FÜR PTHS KINDER NÜTZLICH?

Die Therapie ist abhängig von den Symptomen. Eine Früherziehung und -förderung ist immer notwendig. Andere Therapien variieren individuell. Ein Teil der PTHS Patienten braucht eine medikamentöse Therapie für die Epilepsie, andere benötigen eine medikamentöse Therapie wegen Schlafstörungen oder Obstipation (Verstopfung).

WAS IST DER UNTERSCHIED ZWISCHEN HYPOTONIE UND HYPERTONIE?

Muskuläre Hypotonie bedeutet zu wenig Körperspannung. Muskuläre Hypertonie bedeutet zu viel Körperspannung.